Das kollektive Unbewusste
Carl Gustav Jung ging noch einen Schritt weiter als sein zeitweiliger Wegbegleiter Sigmund Freud: Er attestierte der gesamten Menschheit ein „kollektives Unbewusstes“. Sie sei geprägt durch einen Mangel an „Selbstsein“ und dieses Defizit sei auf den „Verlust der religiösen Wurzeln“ zurückzuführen. Jung geht davon aus, dass das kollektive Unbewusste in gewisser Weise dem individuellen Unbewussten entspricht. Es reiche bis zu Anfängen des Menschseins zurück. Genau wie unsere biologische Mitgift werde es „vererbt“, also von Generation zu Generation weitergegeben.
Wir können uns das kollektive Unbewusste vorstellen wie einen gigantischen Speicher. Nach Carl Gustav Jung ist dieser Speicherort während der gesamten menschlichen Evolution vom Tier- zum Geistwesen entstanden und wird aus vielen Quellen gespeist.
Wir alle tragen dieses Erbe in uns - die stammesgeschichtlichen Erfahrungen unserer Ahnen, die charakteristischen Wesenszüge der Art Mensch, die Stimme einer unbeeinflussten Urnatur. Diese strebt gemäß C. G. Jung nach Ganzwerdung. Als Ganzwerdung oder auch „Individuation“ bezeichnet Jung den Prozess eines Menschen, der sich mit dem eigenen Selbst verbindet, indem er seine Persönlichkeit durch Selbsterkenntnis weiterentwickelt. Dieses Streben sei ein Drang, der in jedem Menschen angelegt sei.
Das kollektive Unbewusste zeigt sich in den Archetypen. Sie begleiten den Menschen seit Anbeginn seiner Entwicklung und begegnen uns in Märchen, Mythen und den Träumen von Vertretern aller Kulturen. Das kollektive Unbewusste zeige sich jedoch auch immer wieder von seiner dunklen Seite. So wie beispielsweise in der „Massenpsyche“, die während der beiden Weltkriege „die Oberhand gewonnen“ habe - und immer wieder gewinnen kann, wie Jung warnt. Eine Gesellschaft könne "moralisch und intelligenzmäßig zu einem großen, dummen und gewalttätigen Tier verkommen". Der Einzelmensch werde dann vom kollektiven Bewusstsein gleichsam aufgesogen.