Die Herrschaft der Medien und der Wirklichkeitsverlust
Schon zu Beginn des neuen Jahrtausends prangerte der politische Journalist Jürgen Leinemann († 2013) die Massenmedien an. Das war lange, bevor das Internet seinen Siegeszug antrat. Er kritisierte damals, dass Medien die Tendenz der kollektiven Derealisation verstärkten: Wir entfernen uns immer weiter von der Wirklichkeit, statt uns der Realität anzunähern. In seinem Buch „Höhenrausch“ schreibt Leinemann, die „Mediokratie“ erschaffe durch mediale Inszenierung Ersatzwirklichkeiten. In diesen virtuellen Räumen können die Polit-Profis ihr Ego aufblähen und ihre faktische Ohnmacht kompensieren.
Fakes statt Fakten
Der langjährige Spiegel-Journalist Leinemann beklagt einen zunehmenden Wirklichkeitsverlust in unserer Gesellschaft: Politische Überzeugungen und eine echte Welt- und Sachkenntnis gehen verloren. Mediale Formen der Inszenierung nehmen dagegen rasant zu. Gleichzeitig lernen erfolgreiche Politiker, Macht als Droge zu genießen. Diese Sucht bezeichnet Leinemann als die spezifische Krankheit unseres Zeitalters. Der Realitätsverlust sei bezeichnend für das Sucht-Syndrom. In „Höhenrausch“ stellt er fest, dass der Beruf des Politikers für den Großteil unserer Volksvertreter zu Droge geworden ist: Macht, Erfolg, Arbeit, Alkohol, öffentlicher Applaus – das alles seien Auslöser für den Höhenrausch und zugleich Verstärker für die Sucht.
Narzissmus und Sucht
Die Sucht entsteht nach Leinemann vor allem durch Narzissmus. Er stellt ihn etwas verkürzt als eitle Selbstverliebtheit dar, die immer wieder nach neuer Bestätigung verlange. Verkürzt deswegen, weil die narzisstische Persönlichkeit zwischen Gefühlen der eigenen Überwertigkeit und der Minderwertigkeit schwankt. Und das ist genau genommen das eigentliche Problem, das nach Kompensation drängt.