Agfa & Kodak – der letzte knipst das Licht aus
Wer heutzutage noch Papierfotos knipst wird nicht selten neugierig bestaunt wie ein anachronistisches Artefakt. Ein angestaubter Nostalgie-Freak mit technisch vollkommen überholten Gerätschaften. Analogfotografie erfährt bestenfalls im künstlerischen Bereich eine Renaissance und führt ansonsten ein beschauliches Nischendasein. Meine Kindheit jedoch wurde noch akribisch auf dem Lichtbild dokumentiert und später ruckelnd an die Wand geworfen. Mal seitenverkehrt, mal kopfüber. Zahlreiche Pannen beim Dia-Transport im Projektor inbegriffen.
Familie in Endlosschleife. Widerstand war zwecklos. Neben zahlreichen Sonntagsausflügen oder dem obligatorischen Urlaub in Italien sticht mir ein Motiv noch heute besonders ins Auge: Der hochglanzpolierte Audi 100. Für mich bis heute der Inbegriff aller Statussymbole der Agfa-Generation schlechthin. Damals, als es noch Erinnerungen auf Papier gab, wurden die Motive mit Bedacht gewählt und in Szene gesetzt. Spontane Schnappschüsse gehörten zur Ausnahme, denn das Filmmaterial war kostbar, die Entwicklung aufwändig.
Kodak - You press the button!
George Eastman (1854-1932) revolutionierte die Fotografie: Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte der amerikanische Unternehmer den Papierfilmstreifen. Als Ersatz für die bis dahin üblichen Foto-Platten. Er benannte sein Unternehmen, die Eastman Dry Plate Company, in „Kodak" um und spezialisierte sich auf Produktion und Vertrieb von Rollfilmen und Kameras.
Seine preiswerten und einfach zu bedienenden Kameras im handlichen Format wurden mit Zelluloid gefüttert, der belichtete Streifen beim Kodak-Dienst entwickelt. Die private Fotografie gedieh zum Massenmarkt und expandierte in atemberaubender Geschwindigkeit. Doch nach über 130 Jahren Firmengeschichte ging mit der allgegenwärtigen US-Marken-Ikone ein weiteres Flaggschiff in den stürmischen Wogen des knallharten weltweiten Wettbewerbs unter.
Filmriss bei Kodak
Kodak stieß immer wieder Innovationen im Bereich der Fotografie an: Mitte der 70er Jahre war das Unternehmen wieder einmal technologisch führend als Erfinder der Digitalkamera. Doch es scheitert schließlich ausgerechnet bei der Anpassung an die veränderten Marktbedingungen. Die Kernkompetenz lag wie bei Agfa in der Fotochemie – beide Unternehmen hatten viel Geld in die Hand genommen. Sie waren die Besten auf ihrem Gebiet. Die Umstellung fiel ihnen denkbar schwer. Und: Asien bewegte sich bei der Entwicklung der Digicam zur Marktreife einfach schneller. Auch der Wandel von der Fototechnik hin zum Druckergeschäft gelingt nicht. Mehr als 70 Jahre gehörte Kodak zu den im Dow Jones gelisteten Unternehmen. Zuletzt jedoch drohte die New Yorker Börse den Ausschluss an: Der Kurs der Aktie hatte an 30 aufeinander folgenden Börsentagen unter der Schwelle von einem Dollar gelegen. Das Unternehmen hielt dem Wettlauf mit der Zeit nicht stand. Kodak musste im Januar 2012 Insolvenz anmelden.
Agfa – trauriges Ende einer Legende
Heerscharen von Hobbyfotografen hielten ihre Erinnerungen auf Agfa-Filmen fest. Das deutsche Unternehmen war nach Kodak und Fujifilm im 20. Jahrhundert der größten Hersteller von Filmen weltweit. Mit „Rodinal", einer Entwicklerflüssigkeit, bringt die „Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation" 1899 ihr erstes Fotoprodukt auf den Markt. Wenig später folgt das berühmte Zelluloid. In Bitterfeld schließlich wird 1916 Filmgeschichte geschrieben:
Der zweitgrößten Filmfabrik der Welt (nach Eastman Kodak) gelingt die Entwicklung des ersten Farbfilms. Kurz darauf folgt die Rollfilmkamera „Billy". Sie erobert, zusammen mit einer ebenfalls deutschen Erfindung - dem Synchronblitz, in Windeseile das Wirtschaftswunderland. Die Vormachtstellung auf dem deutschen Markt hatte das Unternehmen allerdings auch seiner opportunistischen Politik während der NS-Zeit zu verdanken: Nach 1939 produzierte Agfa fast ausschließlich für den Wehrmachts- und NS-Parteibedarf. Auch Leni Riefenstahl, des „Führers Auge", knipste auf Agfa.
Ausgeknipst
Den qualitativen Sprung ins digitale Zeitalter verschliefen die Pioniere der Fotoindustrie allerdings. Der Umsatz sinkt im neuen Jahrtausend dramatisch. Agfa stürzt regelrecht in die Pleite: Lag der der Umsatz in der Fotosparte im Jahr 2000 noch bei 1,25 Milliarden Euro, betrug er schon vier Jahre später nur noch 693 Millionen Euro. 2005 stellt Agfa Photo den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Marken-Lizenzen werden ins Ausland abverkauft. Das Agfa-Werk in München fällt der Abrissbirne zum Opfer, das mehr als 50 m hohe Agfa-Hochhaus in Giesing wird Februar 2008 gesprengt. Agfa Photo - eine der berühmtesten deutschen Marken - ist nach 138 Jahren am Ende.