Vorurteile - die Deutschen und die Österreicher
Österreicher und Deutsche verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Und eine innige, manchmal schmerzliche, aber immer herzliche Hassliebe. Die Menschen der beiden benachbarten Volksstämme können sich gut leiden. Eigentlich. Aber sie konkurrieren auch seit Jahrhunderten miteinander und sie lassen dabei kaum eine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu necken oder gar herunter zu machen. Mitunter auch recht derb. So sind viele Deutsche überzeugt davon, dass die Österreicher schrecklich altmodisch, a bisserl langsam und vor allem sehr, sehr umständlich sind. Sie leben meistens in tiefen, dunklen Schluchten, haben lila Kühe und tragen merkwürdige Trachten.
Was ist also dran an der Voreingenommenheit der Deutschen gegenüber ihren Nachbarn? Und - steckt nicht in jedem Gerücht auch ein Funken Wahrheit?
Wien könnte so schön sein…
Der Wiener ist eine ganz besondere Type und sogar bei seinen eigenen Landsleuten verschrien. Er gilt gemeinhin als arrogant und als notorischer Dauergrantler, weil er ausgiebig und gerne schimpft. Zum Beispiel auf das Wetter oder die slawischen Nachbarn. Obwohl er selbst eine tschechische Oma hat. Und auf die EU natürlich und deren Welt-Politik. Das soll vor allem deswegen so sein, weil der Wiener immer noch den guten, alten K.u.K-Zeiten hinterher trauert. Er ist zudem berühmt – um nicht zu sagen berüchtigt - für seinen Schmäh.
Schmäh und solider Größenwahn
Die Österreicher lieben Titel und tragen bei der Selbstdarstellung und bei Komplimenten grundsätzlich ein wenig dicker auf, als unbedingt notwendig. Eigentlich alle berühmten Österreicher – Arnold Schwarzenegger, Wolfgang Amadeus Mozart, Falco oder Baulöwe Richard 'Mörtel' Lugner - haben oder hatten eines gemeinsam: Ihr Ruhm basiert auf einer eigentümlichen Mischung aus solider Bodenständigkeit und exzentrischem Größenwahn. Und auf einer merkwürdigen Verbindung aus Wein-Genuss und Alpen-Blues. Denn auch die pessimistisch-melancholische, mitunter depressive Grundeinstellung der Österreicher ist legendär. Daher rührt angeblich auch ihr Hang, den Weltschmerz in moderatem Alkoholismus zu ertränken.
Der Piefke
Es ist eine irrige Annahme, dass mit den Piefkes vor allem die Preußen gemeint seien. Denen haben die Österreicher das nämlich bis heute nicht verziehen, dass sie ihnen einst so übel mitspielten. Die Piefkes, das sind die Deutschen im allgemeinen. Der Bayer wird da keinesfalls ausgenommen. Der Piefke heißt Dirk oder Detlef, ist arrogant und taktlos, überheblich und laut. Er brettert rücksichtslos im Wohnmobil durch die Alpen, kann nicht Skifahren und ist ein großer Sprücheklopfer und Besserwisser.
Der Piefke hat ein Problem mit der österreichischen Langsamkeit. Er versteht nicht, dass es zur alpenländischen Kultur gehört, wenn er beim Heurigen oder im Kaffeehaus mitunter a bisserl länger warten muss, als er es von daheim gewohnt ist. Und er lässt es nicht selten am nötigen Respekt gegenüber den Einheimischen fehlen. Zum Beispiel, wenn die dem Piefke ans Herz legen, er möge bitte nicht mit Flipflops auf die Berge kraxeln oder ihn vor einer Schlechtwetterfront warnen. Solche wirklich gut gemeinten Ratschläge schlägt der Piefke schon mal gerne in den Wind. Und nachher geht‘s dann wieder groß in Deutschland durch die Nachrichten, wenn was passiert ist…
Den Piefke erkennt man meistens am Geschrei. Wenn irgendwo in einem Wirtshaus einer das Hemd auszieht und betrunken herum grölt, dann ist das fast immer ein Piefke. Oder wenn einer lauthals und aufgeregt mit dem Busfahrer, Museumswächter oder Schalterbeamten herum diskutiert. Auch beim Jubeln ist der Piefke einer der lautesten. Er krakeelt vor Begeisterung herum, klatscht vollkommen unmotiviert in die Hände und lässt sich andauernd zu spontanen komödiantischen Einlagen hinreißen. Egal ob oben auf dem Berg oder auf der Rolltreppe im Einkaufscenter. Das ist der österreichischen Seele schlicht wesensfremd.
Die neuen deutschen Freunde?
Piefke kann heutzutage durchaus auch liebevoll gemeint sein, wenn es mit einem Augenzwinkern daher kommt. Aber wenn die österreichische Presse urplötzlich über „unsere neuen deutschen Freunde“ schreibt und behauptet, dass die Österreicher die Deutschen lieb hätten, sollte man auf der Hut sein. Immerhin sind wir immer wieder und über Jahrhunderte hinweg eines besseren belehrt worden. Wir glauben noch nicht so recht an einen echten Gesinnungswandel. Vermutlich steckt auch hinter diesen Lippenbekenntnissen wieder einmal nur die nüchterne Bauernschläue durchtriebener alpenländischer Geschäftemacher...