Hautacuperche

La Gomera - Geschichte und Geschichten

Zahlreiche Legenden ranken sich um die Geschichte der magischen Vulkaninsel, doch das Geheimnis um ihre eigentlichen Ursprünge und die Herkunft ihrer Bewohner ist bis heute nicht gelöst. Es kursieren wilde Gerüchte und zweifelhafte Hypothesen. Sie sind mitunter ebenso so fantastisch und mystisch wie die Insel selbst. Als gesichert gilt lediglich, dass die Phönizier bereits um 1000 v. Chr. die Kunst der Seefahrt beherrschten und auf ihrem Weg über den Atlantik auch die Kanaren besuchten. Sie nahmen von dort die Orchilla-Flechte mit in ihre Heimat und das phönizische Purpur wurde bald zu einer der begehrtesten Handelswaren in ihrem Reich.

Erste menschliche Siedlungen gab es wohl seit dem 5. Jahrtausend v. Chr, doch woher kamen die Guanchen - die Ureinwohner der Kanarischen Inseln? Waren sie Angehörige einer Megalithkultur oder gar mit den Berbern kulturgeschichtlich verwandt? Das ist nicht bekannt. Es wurde viel darüber spekuliert, auch weil das winzige Eiland nur 300 km von der afrikanischen Küste entfernt liegt. Es zählt damit zwar politisch zu Spanien, geografisch aber zu Afrika, doch es bestanden sehr wahrscheinlich keine Kontakte zum Festland und vermutlich noch nicht einmal zu den Nachbarinseln.

El Silbo – Sprache der Gomeros

La Gomera soll eine hochentwickelte Sozialstruktur gehabt haben. Davon zeugt die Pfeifsprache „El Silbo“, mit der sich die Einwohner über die Täler hinweg von Dorf zu Dorf verständigten. Eine uralte Tradition, die bis heute überliefert wird und ausschließlich auf Gomera zu Hause ist. Auch die Religion der Insulaner war eine ganz eigene, geprägt von den Elementen der natürlichen Umgebung – von Tieren und Pflanzen, Bergen, dem Regen und den hell leuchtenden Sternen.

Die Gomeros lebten vom Fischfang. Sie waren Bauern und Hirten, ein friedliches kleines Völkchen. Bis Ende des 12. Jahrhunderts in Europa die Seefahrer und Händler aufbrachen, um neue Märkte in der Welt zu erschließen und die Spanier 1414 schließlich auch das abgelegene Eiland eroberten.

Hautacuperce und der grausame Peraza

Die Guanchen fügten sich in ihr Schicksal, doch die Besatzer waren allzu grausam und ungerecht. Besonders Graf Hernán Peraza, der von 1477 – 1488 auf der Insel sein Unwesen trieb. Er zog durch seine Willkürherrschaft den Unmut der Guanchen auf sich. Zudem hatte der umtriebige Conde gegen ein ehernes Inselgesetz verstoßen: Man hatte ihn in weiser Voraussicht zum Blutsbruder der Insulaner erhoben. Bruder und Schwester war aber nun einmal der intime Umgang miteinander streng verboten. Aus gutem Grund. So sollte das Blut der Ureinwohner rein gehalten werden – vor allem auch von spanischem Lebenssaft.

Peraza scherte sich allerdings wenig um die Regeln der Einheimischen. Er umwarb die schöne Guanchen-Prinzessin Yballa - die Gemahlin von Hautacuperche, dem designierten Nachfolger des alten Inselhäuptlings Hupalupa. Damit überspannte er den Bogen. Hautacuperche schwamm hinaus in den Charco del Conde (die „Pfütze“ oder auch vornehm „Lagune des Grafen“). Dort heckte er in aller Heimlichkeit und Abgeschiedenheit im Baja del Secreto (frei übersetzt: „Nische des Geheimnisses“) mit Hupalupa einen geheimen Plan aus. Er lockte den Conde Peraza in einen Hinterhalt, eine Höhle (Degollada de Peraza = „Ort der Schlachtung“) und spaltete ihm dort mit einem Messer den Schädel. Hautacuperche bezahlte die Tat mit seinem Leben: Die Rebellion wurde von den Spaniern blutig niedergeschlagen.

Die Gomeros setzten ihrem Helden ein Denkmal – im Valle Gran Rey, unweit des Charco del Conde, steht die alles überragende Statue des Rebellen mit seinem Langmesser und dem gespaltenem Helm des Hernán Peraza.

Christoph Kolumbus: Intermezzo auf Gomera

Beatriz Peraza folgte ihrem Gatten als Herrscherin nach und übte blutige Rache: Sie ließ, zusammen mit Pedro de Vera, dem Feudalherren von Gran Canaria, alle männlichen Guanchen über 15 Jahren ermorden. Immerhin musste sie sich dafür am Hofe von Isabella I. wegen übler Amtsführung rechtfertigen. Dort trifft sie auch auf Christoph Kolumbus, mit dem sie später - bei dessen Zwischenstopp auf La Gomera - ein ausführliches Tête-à-tête gehabt haben soll.

Die beiden hatten sich bereits 1486 bei einer Audienz am Hofe kennen gelernt und Kolumbus soll wegen der schönen Beatriz seine Abreise um einiges länger als unbedingt notwendig hinausgezögert haben. Die spanische Condessa revanchierte sich für die nette Gesellschaft auf ihre Weise: Sie finanzierte die Reparatur eines seiner Schiffe. Er nutzte die Zeit auch, um Vorräte und Quellwasser aus einem Brunnen in San Sebastián einzulagern. Am 6. September 1492 brach er schließlich in das vermeintliche Indien auf - und entdeckte Amerika. Mit dem Wasser aus Gomera soll er dann das gelobte Land getauft haben.

Gomera im 19. Jh: Armut und Auswanderung

Nach der Eroberung Gomeras wollten die Spanier weitere Aufstände verhindern. Sie verkauften viele Einheimische entweder als Sklaven auf das spanische Festland oder siedelten sie innerhalb des Archipels um. Die übrigen Einheimischen arrangierten sich mit den Eroberern. Sie übernahmen deren Kultur und Sprache, doch die Ur-Sprache „Guanche“ ist glücklicherweise noch nicht vollkommen ausgestorben.

1837 wurde die Insel direkt der spanischen Krone unterstellt. Die Gomeros verdingten sich als schlecht bezahlte Pächter oder Tagelöhner auf den grundherrschaftlichen Plantagen und bestritten so ihren Lebensunterhalt. Im Jahre 1852, wurden die Kanaren zur Freihandelszone erklärt, was sie als internationalen Warenumschlagplatz höchst attraktiv machte. Gomera selbst exportierte seit dem 16. Jahrhundert vor allem Zuckerrohr, Wein und den roten Farbstoff aus natürlichen Materialien - den auf den Opuntien lebenden Cochenille-Schildläusen. Die Produktion war aufwändig und brach mit der Erfindung synthetischer Farbstoffe zusammen. Seither beherrschte bittere wirtschaftliche Not das Leben auf der Insel. Die Folge war eine gewaltige Auswanderungswelle vor allem nach Kuba und Venezuela Ende des 19. Jahrhunderts.

Gomeras Weg vom Bananenstaat zum sanften Tourismus

Nach dem Tod des spanischen Diktators Franco im Jahr 1975 unter König Juan Carlos durften die Canarios erstmals eine eigene regionale Regierung wählen. 1982 erhielten sie sogar den Autonomiestatus. La Gomera gehört seither zur Provinz Santa Cruz de Tenerife. Im Rahmen des spanischen EU-Beitritts gewährte man den Kanaren einen Sonderstatus mit einer Absatzgarantie für die eigentlich unrentable Bananen-Produktion. Sie lief Mitte der 90er Jahre aus. Heute ist der rauen und zugleich wunderschönen Vulkaninsel im wilden Atlantico nur ein einziger großer Wirtschaftszweig geblieben – der Tourismus. Und die Gomeros haben es bis heute glücklicherweise weitgehend verstanden, die furchtbaren Fehler der Festlands-Spanier im Hinblick auf megalomanische Hotelanlagen und die Zerstörung der Natur nicht zu wiederholen.