1909 - der Tag, als Nürnberg in den Fluten versank
Nürnberg im Winter 1909: Wochenlang hatte es geschneit, bis zu 40 cm hoch lag der Schnee. Dann begann es zu regnen. Die Schneeschmelze setzte ein. Der Boden war gefroren. Er konnte das Wasser nicht aufnehmen. Das floss auf direktem Wege in die Pegnitz und die verwandelte sich in einen reißenden Fluss.
An den Wehren und Wasserrädern verfing sich Treibzeug und staute das Wasser zusätzlich an. Die Flutwelle baute sich langsam auf. Allerdings schnell genug, um Gegenmaßnahmen zu verhindern. Sie erreichte in der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1909 ihren Höhepunkt.
Verheerende Hochwasser gab es schon früher, zum Beispiel 1595: Acht Menschen wurden damals am Henkerssteg von den Fluten mitgerissen. Doch keines erreichte den Wasserstand von 1909. Er wurde auf zahlreichen Hochwassermarken an Gebäuden entlang der Pegnitz festgehalten. Am Weinstadel zum Beispiel und am Henkerssteg.
Der höchste Pegelstand maß 4,67 Meter. Es war die bis dahin schlimmste Hochwasserkatastrophe seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1300. Nicht nur die Altstadt war betroffen - von Wöhrd bis zur Kleinweidenmühle überschwemmten die Fluten den Grund an den Ufern der Pegnitz.
Feierlaune und Schaulust
Die Bürger hatte man glücklicherweise durch Ausrufer und Tafeln vorgewarnt, so dass sie nicht im Schlaf vom Wasser überrascht wurden. Doch niemand konnte sich vorstellen, dass es so schlimm werden würde. Viele Bürger gingen auf Bälle oder in Kaffeehäuser, denn es war Fasching. Ihr Heimweg wurde jäh abgeschnitten, denn die Altstadt war unpassierbar.
Über zwei Meter hoch stand das Wasser am Hauptmarkt, die Pegnitz führte 43mal mehr Wasser als sonst. Der Schöne Brunnen versank in der gelblich-braunen Schmutzbrühe. Die Gebäude am Pegnitzufer standen bis zum Obergeschoß unter Wasser. Die Brücken waren überflutet. Die Schäden wurden später auf rund vier Millionen Goldmark geschätzt.
Es grenzt an ein Wunder, dass nur zwei Todesopfer zu beklagen waren - beide aus Leichtsinn. Einer von ihnen wollte die Fluten mit einem Brett überqueren. Ein anderer fischte Treibgut aus dem Wasser. Er stürzte dabei ab und konnte nur noch tot geborgen werden. Makaber damals wie heute: Die Schaulustigen strömten in Scharen in die Stadt, um ihre Neugier zu stillen. Nur ein Gutes hatte das Jahrhunderthochwasser für die Nürnberger: Sie konnten in vielen Läden günstig Waren erwerben, die durch die Überschwemmung Schaden genommen hatten.
Stadt ließ Vorkehrungen lange schleifen
Die Stadt Nürnberg hatte immer wieder neue Maßnahmen gegen das Hochwasser erwogen und diskutiert, aber nicht umgesetzt. Über Jahrhunderte hinweg. Weil sich die Mühlenbetreiber widersetzten. Weil die Sache dann wieder in Vergessenheit geriet. Es gab ja nur ein oder zweimal im Jahrhundert ein katastrophales Hochwasser. Weil die Weltkriege entsprechende Vorkehrungen verhinderten.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es den Nürnbergern, ihre Stadt weitgehend hochwassersicher zu machen: Man baute das Flussbett aus, erhöhte die Ufermauern, beseitigte die Mühlen und errichtete zusätzliche Stauwehre. Zwischen 1951 bis 1958 entstand ein 140 m langer, 10 m breiter und 4 m hoher Hochwassertunnel zwischen Museumsbrücke und Trödelmarktinsel. Durch ihn kann das Wasser im Ernstfall umgeleitet werden.