Alter Friedhof

Spuren des Lebens: Geschichte der Friedhofskultur

Der letzte Weg eines Menschen nach seinem Ableben wird in allen Kulturen dieser Welt von besonderen Ritualen begleitet. Bereits im Urchristentum wurde großer Wert darauf gelegt, dass jedermann, ganz egal ob Sklave oder Herrscher, würdig bestattet wurde. Die heutige Friedhofskultur ist allerdings eine Erfindung der Neuzeit. Auch die Beisetzung der Toten folgte stets einer scheinbar gottgegebenen Hierarchie: Personen von hohem Rang, Ansehen und Reichtum erhielten prunkvolle Denkmäler mit aufwändigen Grabkammern: In Ägypten waren es die Pyramiden, im alten Rom immerhin noch ziemlich pompöse Grabmäler, zum Beispiel entlang der berühmten Via Appia.

 

Das einfache Volk wurde im Boden verscharrt, in Stein- und Tongruben beigesetzt oder, wenn das Geld für eine ordentliche Beisetzung nicht reichte, einfach sang- und klanglos eingeäschert.

​Wurzeln unserer Friedhofskultur

Eine regelrechte Friedhofskultur kam erst mit dem Christentum auf. Für die Christen war nicht nur die Wiedergeburt von großer Bedeutung, sondern auch die Gemeinschaft der Gläubigen. Der Logik ihres Glaubens folgend entwickelten sie einen Begräbniskult, der die Toten an einem Ort vereinte, an dem sie gemeinsam auf den jüngsten Tag der Auferstehung warteten.

Zunächst fanden die Verstorbenen in Katakomben ihre letzte Ruhestatt. Erst mit der offiziellen Anerkennung des Christentums durch den römischen Kaiser Konstantin entstanden vielerorts Kirchen inmitten der Gemeinden. Die Kirchen waren von Höfen umgeben oder, wie man früher sagte, „umfriedet“. Darin lagen auch die christlichen Grabstätten und daher rührt unsere heutige Bezeichnung „Friedhof“. Gräberfelder und Feuerbestattungen galten bei den Christen als heidnisches Brauchtum und waren verpönt.

​Friedhof wird aus der Stadt verbannt

Die zentrale Lage der Friedhöfe sorgte besonders in Kriegs- und Hungerzeiten für Unmut. Ihre Kapazität war schnell erschöpft. Oft wurden die Gräber nicht tief genug ausgehoben und die Toten von streunenden Hunden wieder ausgegraben. Die Umbettung halbverwester Leichen auf einem nahe gelegenen Friedhof führten zu Geruchsbelästigungen und Gesundheitsgefahren. Zudem grassierte im späten Mittelalter große Angst vor der Pest. Ein kaiserlicher Erlass verfügte während der Epidemien, dass die Friedhöfe außerhalb der Gemeinden anzulegen seien. Auch der „Friedhofszwang“ beruht vor allem auf hygienischen Gründen. Die Vorschrift besagt, dass die physischen Überreste eines toten Menschen nicht an einem anderen Ort als auf einem diesem Zwecke gewidmeten Ort, dem Friedhof, aufbewahrt werden dürfen. Heute werden gelegentlich begründete Ausnahmen zugelassen.

​Fortschritt macht vor dem Friedhof nicht halt…

Die Bevölkerung der Städte wuchs. Es fehlte zunehmend an Platz für die Verstorbenen. Die Ruhefristen auf den Friedhöfen wurden daher zeitlich beschränkt. Nach dem Ablauf der Frist grub man die Gebeine aus und stapelte sie in Beinhäusern bis unter die Decke. Auch die Säkularisierung hinterließ Spuren. Man beschloss, das Friedhofswesen neu zu organisieren. Dagegen erhoben die großen Kirchen lauten Protest. Dennoch wurde das Bestattungsmonopol - und damit eine überaus lukrative Einnahmequelle – auf den Staat übertragen. Napoleon Bonaparte sorgte 1806 per Dekret für die endgültige Verweltlichung der Bestattungsordnung. Es entstanden große parkähnliche Friedhöfe außerhalb der Städte. Die damals üblichen Reihengrabanlagen waren dem Gleichheitsgedanken geschuldet: Es sollte keine Standesunterschiede geben - im Leben wie im Tode. Es wurde zudem angeordnet, die Friedhöfe zu bepflanzen, um die Ausdünstungen, die durch die Verwesung entstanden, gering zu halten.

​Gleichheit weicht Prunk

So verwandelten sich mit der Zeit die einst so tristen Friedhöfe aus bloßem Stein und Gemäuer in üppig grüne Parkanlagen mit oft regelrecht lauschiger Atmosphäre wie beispielsweise im Wiener Zentralfriedhof. Der Gleichheitsgedanke hielt sich jedoch nicht sehr lange. Schon bald herrschte wieder der Standesdünkel über den Tod hinaus wie eh und je: Personen von Rang, Ansehen und Reichtum leisten sich prunkvolle Gruften an den Hauptwegen, das Volk hingegen begnügt sich mit einem einfachen Grab an den Nebenwegen oder gar mit einem anonymen Massengrab.