Wer liest schon Gebrauchsanweisungen?
Die meisten Menschen glauben zu Recht, Bedienungsanleitungen sind nur etwas für Idioten. Normalerweise sollte sich die Funktionsweise nämlich alleine dadurch erschließen, dass man das Ding lange genug anstarrt. Wenn das nicht der Fall ist, liegt es am Gerät. Der Hersteller hat versagt. Die einfachsten Dinge sind ohnehin die besten, denn das Leben ist schon hart genug. Deswegen braucht auch niemand Produkte, die es komplizierter machen. Wo ist sie also, die viel gepriesene „intuitive Benutzerführung“?
Wir haben die Ware schließlich erworben, um Spaß daran zu haben und nicht, um uns durch 300 Seiten Text zu quälen. In umständlich verschnörkelter Fachsprache, verfasst von einem chinesischen Techniker und per Google in gruseliges Klümpchendeutsch übersetzt. Das Lesen von Gebrauchsanweisungen ist selten ein Vergnügen. Doch Techniker lesen offenbar keine Anleitungen. Denn in einer Anleitung zum Verfassen von Gebrauchsanweisungen heißt es:
„Wenn der Redakteur Techniker ist, muss er sich bewusst sein, dass sein Zielpublikum in einer anderen Welt lebt.“
Fluchst du noch oder lebst du schon?
Händler wissen: Wenn der Kunde die Gebrauchsanweisung vor sich liegen hat, hat er das Produkt bereits gekauft. Er muss also wohl oder übel selbst einen Weg finden, sich mit dem erworbenen Gegenstand vertraut zu machen. Handelt es sich dabei um ein Möbelstück, kann es mitunter durchaus Sinn machen, die Montageanleitungen zu Rate zu ziehen. Früher hüteten eingefleischte IKEA-Profis die Beipackzettel wie einen Goldschatz, denn der Verlust konnte sich als fatal erweisen. Heute gibt es zum Glück die IKEA-App mit Montageanleitungen. Obwohl – beim Umzug? Noch kein WLAN...
Bin ich schon drin?
Die bewährte Methode ist bei den allermeisten Gegenständen nach wie vor „Learning by Doing“. Durchwursteln nach dem Prinzip von „Versuch und Irrtum“. Man tippt einfach so lange auf dem Gerät herum, bis sich die gewünschte Funktion einstellt. Das Smartphone muss nur telefonieren können, ein paar Adressen abspeichern, an Termine erinnern und googeln. Wozu also die Gebrauchsanweisung lesen. Schließlich findet man heute an jeder Straßenecke einen fünfjährigen Technikfreak, der einen versiert in die wichtigsten Kunstgriffe einführt. Auch Menschen, die blutige Anfänger gerne mit ihrem umfangreichen Technik-Wissen beeindrucken, gibt es mehr als genug. Die eifrig die absurdesten Anwendungen demonstrieren, ohne dass wir sie je um Hilfe gebeten haben. Anwendungen, die sowieso keiner braucht. Sie stellen zum Beispiel das Gerät auf chinesische Sprachsteuerung um und stellen dann peinlich betreten fest, dass ihrer Intuition aufgrund vollkommener Unkenntnis der kryptischen Schriftzeichen auf dem Display gewisse Grenzen gesetzt sind…
Wo ist der Knopf?
Otto Normalanwender nutzt ohnehin nur die Standardfunktionen: Einschalten, Programm wählen, ausschalten. Das funktioniert bei Geschirrspülmaschinen, Fernsehern und Autos. Wer braucht schon Konfiguration. Die meisten Funktionen wollen wir gar nicht so genau wissen. Wir würden uns sehr über Geräte freuen, die tatsächlich ohne Gebrauchsanweisung auskommen. Denn die lesen wir doch meistens überhaupt erst dann, wenn wir glauben, dass das Ding etwas können sollte, wofür wir den Knopf noch nicht gefunden haben.
Typisch männlich – typisch weiblich?
Gibt es eigentlich typisch männliche und weibliche Herangehensweisen? Nein. Allerdings können Defizite bei der intuitiven Benutzerführung zu echten Beziehungskrisen führen: Er drückt wild auf dem Ding herum, sie liest die Anleitung. Er kommt nicht in angemessener Zeit zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, sie präsentiert souverän die Lösung des Problems. Er ist frustriert, weil in seinem Ehrgeiz ausgebremst und zieht sich mit dem Gerät in ein anderes Zimmer zurück. Nun ist sie ebenfalls frustriert. Und wieder hat der Hersteller versagt…