Sachs Ehekarussell

Hans Sachs: Das bittersüße ehlich' Leben (Volltext)

Dieses Gedicht über das bittersüße Auf und Ab des Ehelebens widmete Meistersinger Hans Sachs (1494-1576) seiner lieben (?) Gattin. Aus eigener freud- und leidvoller Erfahrung wie es scheint. Denn die Inschrift auf dem Nürnberger Brunnen „Ehekarussell“ beschreibt ebenso drastisch wie die dazu gehörigen Skulpturen die Szenen einer Ehe von anfänglicher süßer Leidenschaft über einen bitteren Rosenkrieg bis hin zum Tod:

Das bittersüße ehlich' Leben

Gott sei gelobet und geehrt
Der mir ein frumb Weib hat beschert
Mir der ich zwei und zweinzig Jahr
Gehaust hab, Gott gab länger gar
Wiewohl sich in mein ehlig Leben
Had Süß und Saures oft begeben
Gar wohl gemischt von Freud und Leid,
Erst auf, dann ab, ohn Unterscheid
Sie hat mir nit stets kochet Feigen
Will schwankweis Dir ein Teil anzeigen

Sie ist ein Himmel meiner Seel
Sie ist auch oft mein Pein und Hell,
Sie ist mein Engel auserkoren,
Ist oft mein Fegeteufel woren.
Sie ist mein Wünschelrut und Segen
Ist oft mein Schauer und Platzregen
Sie ist mein Mai und Rosenhag,
Ist oft mein Blitz und Donnerschlag,

Mein Frau ist oft mein Schimpf und Scherz,
Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz,
Sie ist mein Wonn und Augenweid,
Ist oft mein Traurn und Herzeleid
Sie ist mein Freiheit und mein Wahl,
Ist oft mein Gfängnis und Notstall,
Sie ist meine Hoffnung und mein Trost,
Ist oft mein Zweifel, Hitz und Frost.

Mein Frau ist meine Zier und Lust,
Ist oft mein Graun und Suppenwust,
Ist oft mein königlicher Saal,
Doch auch mein Krankheit und Spital.
Mein Frau, die hilft mir treulich nähren,
Thut mir auch oft das Mein verzehren,

Mein Frau, die ist mein Schild und Schutz,
Ist oft mein Frevel, Stolz und Trutz.
Sie ist mein Fried und Einigkeit,
Und oft mein täglich Hebensstreit
Sie ist mein Fürsprech und Erlediger,
Ist oft mein Ankläger und Prediger.

Mein Frau ist mein getreuer Freund,
Oft worden auch mein größter Feind,
Mein Frau ist mietsam oft und gütig,
Sie ist auch zornig oft und wütig.

Sie ist mein Tugend und mein Laster,
Sie ist mein Wund und auch mein Pflaster,
Sie ist meines Herzens Aufenthalt,
Und machet mich doch grau und alt.